NH-Sicherungen sind ein wesentlicher Bestandteil des Schutzes von elektrischen Anlagen und Geräten. Ihre korrekte Auswahl und Anwendung erfordert ein tiefes Verständnis ihrer Kennlinien. Dieser Artikel widmet sich den Siemens NH-Sicherungen und ihren Kennlinien, um Ihnen ein umfassendes Wissen für eine sichere und effiziente Nutzung zu vermitteln.
Einführung
NH-Sicherungen (Niederspannungs-Hochleistungs-Sicherungen) dienen dem Schutz von elektrischen Betriebsmitteln vor Überlast und Kurzschluss. Die Kennlinien dieser Sicherungen geben Auskunft über das Verhalten der Sicherung in Abhängigkeit von Stromstärke und Zeit. Sie sind entscheidend für die korrekte Auslegung der Sicherung, um einerseits zuverlässig vor Schäden zu schützen und andererseits unnötige Abschaltungen zu vermeiden.
Tabelle der Siemens NH-Sicherungen Kennlinien
Kennlinie | Beschreibung | Relevante Daten |
---|---|---|
Schmelzzeit-Strom-Kennlinie (t-I-Kennlinie) | Zeigt die Zeit an, die eine Sicherung benötigt, um bei einem bestimmten Stromwert durchzubrennen. | Minimaler Schmelzstrom (Imin), Konventioneller Auslösestrom (I2), Auslösezeit bei verschiedenen Überlastströmen (z.B. 1,6 x In, 10 x In), Vorlichtbogenzeit, Gesamtausschaltzeit. |
I²t-Kennlinie (Durchlass-I²t-Wert) | Beschreibt die Energie, die im Fehlerfall durch die Sicherung fließt, bevor sie abschaltet. | Vorlichtbogen-I²t-Wert (I²t before arcing), Gesamtausschalt-I²t-Wert (I²t total clearing), Maximaler zulässiger I²t-Wert für geschützte Betriebsmittel. |
Begrenzungs-Kennlinie (Strombegrenzung) | Zeigt, wie stark die Sicherung den Kurzschlussstrom begrenzt. | Maximaler Scheitelwert des Kurzschlussstroms (Ipeak) in Abhängigkeit vom prospektiven Kurzschlussstrom (Iprospective), Begrenzung des Kurzschlussstroms auf einen Wert unterhalb des maximal zulässigen Wertes für die geschützten Betriebsmittel. |
Bemessungsdaten | Wichtige Parameter für die Auswahl und den Betrieb der Sicherung. | Bemessungsstrom (In), Bemessungsspannung (Un), Schaltvermögen (Icn), Verlustleistung (Pv), Baugröße, Betriebsklasse (gG, aM, gR), Normen (IEC 60269, VDE 0636). |
Derating-Kennlinie | Zeigt, wie sich die Strombelastbarkeit der Sicherung bei unterschiedlichen Umgebungstemperaturen verändert. | Reduktionsfaktor des Bemessungsstroms in Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur. Typische Umgebungstemperaturen und zugehörige Reduktionsfaktoren (z.B. -5°C, 20°C, 40°C, 60°C). |
Detaillierte Erklärungen der Kennlinien
Schmelzzeit-Strom-Kennlinie (t-I-Kennlinie)
Die Schmelzzeit-Strom-Kennlinie (t-I-Kennlinie) ist die grundlegendste Kennlinie einer Sicherung. Sie stellt die Beziehung zwischen dem durch die Sicherung fließenden Strom und der Zeit dar, die die Sicherung benötigt, um durchzubrennen und den Stromkreis zu unterbrechen. Je höher der Strom, desto kürzer die Schmelzzeit. Die Kennlinie ist typischerweise logarithmisch dargestellt, wobei die Zeit auf der vertikalen Achse und der Strom auf der horizontalen Achse abgebildet sind.
- Minimaler Schmelzstrom (Imin): Der Strom, der mindestens fließen muss, damit die Sicherung überhaupt auslöst. Unterhalb dieses Stroms löst die Sicherung auch bei längerer Einwirkdauer nicht aus.
- Konventioneller Auslösestrom (I2): Ein definierter Stromwert, der üblicherweise das 1,6-fache des Bemessungsstroms (In) beträgt. Die Sicherung muss bei diesem Stromwert innerhalb einer vorgegebenen Zeit (konventionelle Auslösezeit) sicher auslösen.
- Auslösezeit bei verschiedenen Überlastströmen: Die Kennlinie gibt Aufschluss darüber, wie schnell die Sicherung bei verschiedenen Überlastströmen auslöst. Dies ist entscheidend für den Schutz von Betriebsmitteln, die empfindlich auf Überlast reagieren.
- Vorlichtbogenzeit: Die Zeitspanne zwischen dem Beginn des Schmelzens des Schmelzleiters und dem Zeitpunkt, an dem der Lichtbogen entsteht.
- Gesamtausschaltzeit: Die Summe aus Vorlichtbogenzeit und Lichtbogenbrennzeit. Sie gibt an, wie lange es dauert, bis die Sicherung den Stromkreis vollständig unterbricht.
I²t-Kennlinie (Durchlass-I²t-Wert)
Die I²t-Kennlinie (auch bekannt als Durchlass-I²t-Wert) beschreibt die thermische Energie, die im Fehlerfall durch die Sicherung fließt, bevor sie den Stromkreis unterbricht. Der I²t-Wert ist das Produkt aus dem Quadrat des Stroms (I²) und der Zeit (t). Dieser Wert ist entscheidend für den Schutz von Betriebsmitteln, da er angibt, wie viel Energie in das geschützte Gerät gelangt, bevor die Sicherung auslöst.
- Vorlichtbogen-I²t-Wert (I²t before arcing): Der I²t-Wert, der bis zum Beginn des Lichtbogens durch die Sicherung fließt.
- Gesamtausschalt-I²t-Wert (I²t total clearing): Der gesamte I²t-Wert, der bis zur vollständigen Unterbrechung des Stromkreises durch die Sicherung fließt.
- Maximal zulässiger I²t-Wert für geschützte Betriebsmittel: Die geschützten Betriebsmittel dürfen nur einer bestimmten Energiemenge ausgesetzt werden, ohne Schaden zu nehmen. Der I²t-Wert der Sicherung muss daher kleiner sein als der maximal zulässige I²t-Wert des Betriebsmittels.
Begrenzungs-Kennlinie (Strombegrenzung)
Die Begrenzungs-Kennlinie einer NH-Sicherung zeigt, wie stark die Sicherung den auftretenden Kurzschlussstrom begrenzt. Im Falle eines Kurzschlusses kann der Strom sehr schnell auf extrem hohe Werte ansteigen. Eine Sicherung mit guter Strombegrenzung reduziert diesen Stromanstieg und begrenzt den maximalen Scheitelwert des Kurzschlussstroms (Ipeak). Dies schützt die nachfolgenden Betriebsmittel vor den thermischen und dynamischen Auswirkungen des Kurzschlusses.
- Maximaler Scheitelwert des Kurzschlussstroms (Ipeak) in Abhängigkeit vom prospektiven Kurzschlussstrom (Iprospective): Die Kennlinie stellt dar, wie der maximale Scheitelwert des Kurzschlussstroms von der Höhe des prospektiven Kurzschlussstroms (dem Strom, der ohne die Sicherung fließen würde) beeinflusst wird.
- Begrenzung des Kurzschlussstroms auf einen Wert unterhalb des maximal zulässigen Wertes für die geschützten Betriebsmittel: Die Sicherung muss den Kurzschlussstrom so weit begrenzen, dass die nachfolgenden Betriebsmittel nicht beschädigt werden.
Bemessungsdaten
Die Bemessungsdaten sind entscheidende Parameter für die korrekte Auswahl und den sicheren Betrieb der NH-Sicherung. Sie definieren die elektrischen Eigenschaften und Betriebsgrenzen der Sicherung.
- Bemessungsstrom (In): Der Strom, für den die Sicherung ausgelegt ist. Er sollte auf die Nennströme der geschützten Betriebsmittel und Leitungen abgestimmt sein.
- Bemessungsspannung (Un): Die maximale Spannung, für die die Sicherung zugelassen ist. Sie muss mindestens der Nennspannung des Stromkreises entsprechen.
- Schaltvermögen (Icn): Der maximale Kurzschlussstrom, den die Sicherung sicher abschalten kann. Es muss höher sein als der maximal zu erwartende Kurzschlussstrom am Einbauort.
- Verlustleistung (Pv): Die Leistung, die die Sicherung im Betrieb als Wärme abgibt. Sie muss bei der Auslegung des Schaltschranks berücksichtigt werden, um eine Überhitzung zu vermeiden.
- Baugröße: Die physischen Abmessungen der Sicherung. Sie müssen mit den Abmessungen des Sicherungshalters übereinstimmen.
- Betriebsklasse (gG, aM, gR): Die Betriebsklasse gibt an, für welche Anwendungsbereiche die Sicherung geeignet ist.
- gG (Ganzbereichs-Geräteschutz): Schützt vor Überlast und Kurzschluss. Geeignet für allgemeine Anwendungen.
- aM (Teilbereichs-Motorschutz): Schützt vor Kurzschluss, jedoch nicht vor Überlast. Wird in Kombination mit einem Motorschutzschalter eingesetzt.
- gR (Ganzbereichs-Halbleiterschutz): Schützt Halbleiterbauelemente vor Überlast und Kurzschluss.
- Normen (IEC 60269, VDE 0636): Die Normen, nach denen die Sicherung geprüft und zertifiziert wurde.
Derating-Kennlinie
Die Derating-Kennlinie zeigt, wie sich die Strombelastbarkeit der Sicherung bei unterschiedlichen Umgebungstemperaturen verändert. Die Strombelastbarkeit einer Sicherung ist von der Umgebungstemperatur abhängig. Bei höheren Temperaturen kann die Sicherung weniger Strom führen, ohne zu überhitzen und auszulösen. Die Derating-Kennlinie gibt an, um welchen Faktor der Bemessungsstrom reduziert werden muss, um die Sicherung vor Überhitzung zu schützen.
- Reduktionsfaktor des Bemessungsstroms in Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur: Die Kennlinie stellt dar, wie der Reduktionsfaktor des Bemessungsstroms mit steigender Umgebungstemperatur abnimmt.
- Typische Umgebungstemperaturen und zugehörige Reduktionsfaktoren: Die Kennlinie gibt typische Reduktionsfaktoren für verschiedene Umgebungstemperaturen an (z.B. -5°C, 20°C, 40°C, 60°C).
Häufig gestellte Fragen
Was ist der Unterschied zwischen gG- und aM-Sicherungen?
gG-Sicherungen schützen vor Überlast und Kurzschluss, während aM-Sicherungen nur vor Kurzschluss schützen und in Kombination mit einem Motorschutzschalter eingesetzt werden.
Wie wähle ich die richtige NH-Sicherung für meine Anwendung aus?
Die Auswahl der richtigen NH-Sicherung hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter der Bemessungsstrom, die Bemessungsspannung, das Schaltvermögen, die Betriebsklasse und die Umgebungstemperatur. Es ist wichtig, alle diese Faktoren sorgfältig zu berücksichtigen, um eine sichere und zuverlässige Funktion zu gewährleisten.
Wo finde ich die Kennlinien für Siemens NH-Sicherungen?
Die Kennlinien für Siemens NH-Sicherungen finden Sie in den technischen Datenblättern und Katalogen von Siemens. Diese sind in der Regel auf der Siemens-Website verfügbar.
Was bedeutet "Selektivität" bei Sicherungen?
Selektivität bedeutet, dass im Fehlerfall nur die Sicherung auslöst, die dem Fehlerort am nächsten liegt, während die vorgelagerten Sicherungen intakt bleiben. Dies gewährleistet, dass nur der betroffene Stromkreis abgeschaltet wird und die übrigen Stromkreise weiterhin in Betrieb bleiben.
Wie beeinflusst die Umgebungstemperatur die Funktion einer NH-Sicherung?
Höhere Umgebungstemperaturen reduzieren die Strombelastbarkeit der Sicherung. Daher muss der Bemessungsstrom der Sicherung entsprechend der Derating-Kennlinie angepasst werden.
Fazit
Das Verständnis der Kennlinien von Siemens NH-Sicherungen ist entscheidend für die korrekte Auslegung und den sicheren Betrieb elektrischer Anlagen. Durch die Berücksichtigung der Schmelzzeit-Strom-Kennlinie, der I²t-Kennlinie, der Begrenzungs-Kennlinie, der Bemessungsdaten und der Derating-Kennlinie können Sie die richtige Sicherung für Ihre Anwendung auswählen und einen zuverlässigen Schutz vor Überlast und Kurzschluss gewährleisten. Konsultieren Sie immer die technischen Datenblätter und Katalogen von Siemens für detaillierte Informationen und spezifische Anwendungsrichtlinien.